Preisträger
2024 Jenny Rasche und Verein „Partnerschaft mit Osteuropa“
Jenny Rasche aus Stapelburg in Sachsen-Anhalt und der Verein „Partnerschaft mit Osteuropa“ aus Coswig bei Dresden stehen im Mittelpunkt der am 27. August 2024 stattfindenden Preisverleihung. Jenny Rasche erhält den mit 5.000 € dotierten Preis in der internationalen Kategorie. Das Preisgeld wird von der Stadt Radebeul zur Verfügung gestellt. Der Verein „Partnerschaft mit Osteuropa“ erhält den Preis erstmals auch mit einer finanziellen Anerkennung durch Spenden von Sponsoren aus Coswig.
Jenny Rasche (40) aus Stapelburg/Harz lebt seit 2008 in Sibiu/Siebenbürgen. Während einer privaten Reise vor etwa 15 Jahren hat sie dort das Elend der Romakinder in den Slums kennengelernt und sich spontan entschieden: „Hier muss sich etwas ändern!“ Es kann nicht sein, dass inmitten des reichen Europas Kinder in solchem Elend leben und etliche verrecken. Das hat sie so betroffen. “Das darf nicht sein.“ Mit Nichts und aus Nichts, ohne fachliche Ausbildung hatte Jenny die Zivilcourage, zu helfen und half wie der barmherzige Sameriter in der Bibel spontan und nachhaltig.
Inzwischen hat sie gemeinsam mit der Rumänin Tabita Grancea, weiteren 19 Angestellten und vielen Ehrenamtlichen, sieben Heime für derzeit 40 Kinder im Alter zwischen 7 und 18 Jahren aufgebaut und für weitere Kinder Adoptionen angebahnt. Insgesamt kümmert sich der Verein im Umkreis von Sibiu um 400 Roma - und Sintifamilien. Die Kinder mussten vom Jugendamt aus unterschiedlichen Gründen in Obhut genommen werden: Sie hatten Gewalt (auch sexuelle) und tiefgreifende Vernachlässigung erlebt, so dass manche schon versucht hatten, sich das Leben zu nehmen. Selbst in anderen Heimen und Pflegefamilien ging dieser Schrecken weiter. All das und noch viel mehr haben Tabita und Jenny mit ihrem Team geschafft und mit Unterstützung des Vereins „Kinderhilfe für Siebenbürgen e.V.“, den Jennys Familie in organisiert.
Der Verein „Partnerschaft mit Osteuropa” organisiert seit 1991 kontinuierlich Hilfstransporte nach Osteuropa und setzt sich darüber hinaus für Verständigung und Kontakte zwischen Menschen aus Deutschland und den osteuropäischen Ländern ein. Er wagt diese Hilfe mutig trotz Krieg mit bestimmten Projekten in der Ukraine. Zum Beispiel finanziell mit Spenden für die Frühgeborenenabteilung des Krankenhauses in Lemberg. Oder -auch in Lemberg- das Projekt Community-Emmaus/Oselya für eine Resozialisierung von Obdachlosen, oder das Projekt in Czernowitz: Drogensüchtigen professionell zu helfen. Sie investieren viel ehrenamtliches Engagement, Zeit und Mut, um über den Tellerand zu schauen und lassen sich nicht von der schwierigen Lage und dem Krieg in der Ukraine abhalten.
2022 Dr. Rainer Thümmel, Frederic Bußmann und die Stadtverwaltung der Radebeuler Partnerstadt Obuchiw
Die Preisvergabe an Herrn Dr. Thümmel erfolgte unter anderem in Würdigung seines Einsatzes für ein neues Geläut der Lutherkirche, für seine sachkundigen Publikationen (z. B. „Als die Glocken ins Feld zogen“) sowie für sein ehrenvolles, auf Versöhnung gerichtetes Engagement im Freundeskreis der jüdischen Gemeinde und im interreligiösen Dialog.
Die Preisvergabe an Herrn Frederic Bußmann erfolgte unter anderem in Würdigung seines bürgerschaftlichen Engagements in der Stadt Chemnitz, die zu Kulturhauptstadt Europas 2025 gewählt wurde, und für sein couragiertes und konkretes Auftreten gegen rechtsextremistische Parolen im März 2022.
Der Oberbürgermeister von Obuchiw, Alexander Lewtschenko, und der stellvertretende Bürgermeister, Viktor Rogoza, wurde nach Radebeul eingeladen, um den Preis entgegenzunehmen. Die Preisvergabe erfolgte in Anerkennung und Würdigung der außerordentlichen Leistungen, welche durch die Verwaltung unter den Bedingungen des Krieges erbracht werden müssen. Sie ist zugleich ein Zeichen der Solidarisierung mit den Menschen in der ukrainischen Stadt, die unter den Folgen des russischen Angriffs zu leiden haben.
2020 Marta Siciarek und Ingolf Brumm
Am 27. August 2020 erinnerten wir in der Friedenskirche an das 375-jährige Jubiläum des Waffenstillstandes zwischen Sachsen und Schweden. Gleichzeitig wurde zum 7. Mal der Radebeuler Couragepreis verliehen. Diesmal an Marta Siciarek und Ingolf Brumm.
Marta Siciarek ist eine junge Polin, die in Danzig in einer NGO für das Thema Integration von Geflüchteten arbeitet. Sie hat Integration, ein bislang in der polnischen Politik kaum beachtetes Thema, zu Anerkennung verholfen. Zusammen mit dem im Januar 2019 ermordeten Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz suchte und fand Marta Siciarek Mitstreiter auf vielen Ebenen. Ihr Engagement ist vor allem Geflüchteten aus der Ostukraine und von der Krim zu Gute gekommen. Marta Siciarek war persönlich anwesend und hat sehr eindrücklich von ihren Erfahrungen berichtet. Laudator Dr. Thomas de Maiziére, MdB, nahm Bezug auf die europäische Grundorientierung, nach der wir verbunden sind im Streben nach Frieden, Freiheit und Verteidigung der Menschenrechte.
Ingolf Brumm konnte leider an diesem Abend nicht anwesend sein, aber er wurde vertreten durch einige Meißner Bürger. Für ihn sprach Frank Richter, Mitglied im Sächsischen Landtag. Er zeichnete den Meißner Bauunternehmer als beispielhafte Zugkraft und stets kritischen Zeitgenossen. Sein unermüdliches Engagement im Zusammenhang mit dem Bau von Flüchtlingsunterkünften, als Stadtrat und Mitinitiator der Initiative „Bürger für Meißen - Meißen kann mehr“ hat viele beeindruckt. Zum Interview mit Ingolf Brumm
„Wenn kein Wind geht, rudere" (Polnisches Sprichwort zitiert von Dr. Thomas de Maiziére bei der Laudation für Marta Siciarek)
2017 Elena Mircea, Ingrid Lewek und Wolfgang Tarnowski
Elena Mircea ist Lehrerin in Dacia/Rumänien. In diesem kleinen Siebenbürgischem Dorf gibt es keine Schule mehr, nachdem die rumänische Regierung 2010 Schulen mit unter 200 Kindern schloss und 20000 Lehrer entließ. Frau Mircea ist ausgebildete Gymnasiallehrerin und unterrichtet nachmittags ca. 15 Kinder im Alter von 5-15 Jahren im Lesen und Schreiben. Der Unterricht in einem kleinen Schulzimmer des ehemaligen Pfarrhauses wurde vom Verein „Copiii Europei“ ins Leben gerufen. „Wir ehren mit Elena Mircea auch den Wiederstand gegen die Sinnlosigkeit im einfachen und Kleinen. Der Preis leuchtet an, wie eine kleine Frau in einem kleinen Dorf den Mut zum Wir Tag für Tag lebt.“ (Pfarrer Christof Heinze in seiner Laudatio)
Ingrid Lewek und Wolfgang Tarnowski sind Radebeuler Bürger, die mit diesem Preis für ihr Lebenswerk geehrt werden. Es war ihnen stets ein Anliegen, an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Ihr Hauptwerk, das Buch „Juden in Radebeul 1933 bis 1945“ ist das Ergebnis umfassender Forschungsarbeiten und beschreibt Einzelschicksale, damit „die Menschen, die nicht mehr da waren, ein Gesicht erhielten“ so Ingrid Lewek in ihrer Rede. Sie mahnt eindringlich: „Wenn ich denke, wie wir uns gebärden gegenüber den Flüchtlingen, und Sorge haben um unsere kulturelle Reinheit, denke ich sofort, wer außer uns hat Auschwitz zu verantworten?“ Bürgerliches Engagement war ihnen immer eine Freude, auch wenn es im Alter von 90 bzw. 95 Jahren nun schwerfällt.
Wolfgang Tarnowski ist am 30.11.2020 verstorben. Der Stein vor dem Rathaus wird immer an ihn erinnern als ein Mensch, der sich engagiert, mahnt, vorantreibt. Unser Mitgefühl geht an seine Familie.
SZ-Artikel vom 11. Januar 2021
Interview Radebeuler Schüler*innen mit Frau Lewek
2013 Johannes Halmen und Steffen Richter
Dechant Johannes Halmen ist evangelischer Pfarrer in Schäßburg (Siebenbürgen/Rumänien). Der Preis "soll vor allem sein Wirken mit dem Verein "Nachhaltiges Schäßburg" für den Erhalt der jahrhundertelangen deutschen Kultut-und Glaubenstradition in seiner Heimat würdigen. Wie er versucht, diese in die Vielfalt der heutigen rumänischen Gesellschaft zu implementieren, die Identität der Siebenbürger Sachsen zu wahren und den interkulturellen und interkonfessionellen Dialog zu pflegen und zu vertiefen, ist aller Anerkennung und Wertschätzung wert." (Jochen Bohl in seiner Laudatio)
Steffen Richter ist Vorsitzender des Pirnaer Vereins AKuBiZ e.V. (Alternatives Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz). Dem Verein geht es um historische und politische Bildung, Aufklärung im Umgang mit Neonazis und auch um Unterstützung von Asylsuchenden.
2010  Olga Karatch, Martin Rotbarth und Thomas Berndt
Olga Karatch aus Belarus kämpft mit ihrer Organisation "Наш дом" (Unser Haus - internationales Zentrum von Bürgeriniativen) für mehr Bürgerrechte in ihrer Heimat. Sie gehört "zu den mutigen, kreativen, einfallsreichen und gut vernetzten Menschen in Weißrussland, die das Haus ihres Landes - wie schon der Name sagt - nicht den gefährlichen Launen und menschenrechtsverletzenden Eskapaden eines Diktators und seinen willigen Helfershelfern überlassen, sondern demokratische, überschaubare Strukturen für ihr Heimatland wollen." (Heinz Eggert in seiner Laudation)
https://nash-dom.info
Die Geschwister Martin und Ronny Rotbarth halfen einem 87-Jährigen, als er überfallen und beraubt wurde. Sie holten den Räuber ein und konnten ihn festhalten, wurden selbst dabei verletzt. Für ihr selbstloses, couragiertes Eingreifen zeigten sie, "was dem Wesen des Menschen und dem Prinzip des zivilisierten Zusammenlebens entspricht" (Frank Richter in seiner Laudatio)
Thomas Berndt ist Ingenieur und lebt mit seiner Familie in Radebeul. Er erarbeitete die Neugestaltung des Gedenkens für die Opfer des Nationalsozialismus am 27.Januar in Radebeul. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Einbeziehung der Radebeuler Schulen.
2008 Alexander Sacharkin und Barbara Thiel
Alexander Sacharkin arbeitet in Surgut bei "Surgutneftgas" (SurgutÖlGas) der Russischen Föderation und ist der Sprecher der Gewerkschaft "Профсвобода" (freiheitliche Gewerkschaft). Er "kümmert sich um die Anliegen und Interessen der Belegschaft" und hat "sich trotz aller Widrigkeiten bis heute nicht einschüchtern lassen." (Thomas Roth in seiner Laudatio)
http://profsvoboda.do.am/
Die Radebeuler Ingenieurin Barbara Thiel arbeitete als Expertin für Wassermanagement und -steuerung im Jordantal und bemühte sich jahrzehntelang, Missstände im eigenen Land und in der Welt zu bekämpfen.
2006 Roman Jushkow
Dr. Roman Jushkow, promovierter Ökologe, ist ein russischer Umweltaktivist und Bürgerrechtler, der sich gegen die Umweltzerstörung in seiner Heimatregion um die Stadt Perm im Ural (Russische Föderation) engagiert, z.B. gegen ein Giftmülllager bei Perm oder die Zerstörung des Dorfes Pawlowo, in dessen Nähe der Konzern Lukoil Öl fördert. "Mit Mut und Verstand, dieses Motto steht über dem Radebeuler Courage-Preis. Beides hat Roman Jushkow in hervorragender Weise in seinen solidarischen Kampf für die Menschen in seiner Region eingebracht. Dafür gebührt ihm Ehre." (Dr. Reinhard Höppner in seiner Laudatio)
Georg Hertzschuch und Johannes Schönfeld (Schüler des Gymnasiums Luisenstift) erhalten eine Anerkennung für die Begleitung eines NPD-Landtagsabgeordneten und Interviews mit ihm und die erstellte Videodokumentation. Ziel des Projektes war die Auseinandersetzung mit dem Wirken der NPD in Sachsen.
Pressemitteilung 2020: Radebeuler couragepreis e.v. verurteilt Äußerungen des Preisträgers Jushkow
Pressemitteilung 2022: Der Vorstand kündigt schriftlich die Aberkennung des Preises an
2004 Oleg Woltschek und Bärbel Starke
Oleg Woltschek ist ein Rechtsanwalt aus Weißrussland. "Was ihn auszeichnet, ist seine Entscheidung, mit anderen in Minsk ein Beratungszentrum für Rechtshilfe für die Bevölkerung einzurichten. Sich für Bürgerinnen und Bürger zu bemühen, denen Unrecht wiederfahren ist. (...) Er ist auch Vorsitzender einer Kommission, die sich mit dem Thema der Verschwundenen auseinandersetzt. (...) Europa ist nicht frei, solange in Europa Unfreiheit herrscht. Und deshalb ist das, was Oleg Woltschek leistet, für uns alle wertvoll." (Prof. Kurt Biedenkopf in seiner Laudatio)
Bärbel Starke war die Betriebsratsvorsitzende des ehemaligen Degussa-Werkes Radebeul Sie erhält den Preis stellvertretend für den Betriebsrat und die für ihre Arbeitsplätze kämpfende Belegschaft. "Eine Frau, die Courage zeigte nicht nur im Kampf für den Erhalt von unbeschreiblich wichtigen Arbeitsplätzen für die Region, eine Frau, die sich vom Weg weder durch Feind und - was noch schwerer wiegt - durch Freund abbringen ließ." (OB Bert Wendsche in seiner Laudatio)